UM-ZU-JOBS.

/Querverbindung./ Du hast mir doch einmal von diesem phänomenalen Käfer erzählt, lieber G.. So ein fetter Brummer, der sich erst wochen- und monatelang heraus putzt, seine Flügel formt und stärkt … Und das alles nur, um dann eines Tages den großen Flug in die Freiheit anzutreten. Und dann mit voller Wucht gegen die Wand zu donnern. Erinnerst Du Dich? Wie hieß der nochmal? Der Käfer, meine ich? An den musste ich nämlich gerade denken…

In letzter Zeit bin ich nämlich extrem hellhörig, wenn ich diese winzigen Käferwörter höre. Wie Wanzen. Das Wörtchen „um“ und das Wörtchen „zu“. Zum Beispiel: ARBEITEN, um GELD zu verdienen. Oder heiraten, um Steuern zu sparen. Oder beten, um in den Himmel zu kommen. Oder spielen, um zu gewinnen. Oder folgen, um gefolgt zu werden. Oder fliegen, um den großen Flug in die Freiheit anzutreten. Ein typischer „Um-zu-Job“ könnte man sagen.

Wenn jemand das, was er tut, nicht deshalb tut, weil es getan werden will. Sondern weil er damit ein ganz anderes Ziel verfolgt. Und wenn er dieses Ziel dann nicht erreicht, der arme Kerl. Nicht erreichen kann. Weil dieses Ziel vielleicht gar nicht erreicht werden will? Trotz einem maximalen Aufgebot an Hingabe und Mühe könnte man sagen … Da haben wir es wieder… Liebesmüh … Vergebens. Und wie furchtbar! Wenn einer immer und immer wieder gegen dieselbe Wand donnert. Die schönen Flügel … Nur, weil er sich vorstellt, dass es doch viel schöner wäre, wenn diese Wand  gar nicht da wäre … Das haut mich wirklich um. Allein dieses Bild … Hölle!

Aber was folgt jetzt daraus?

Geht es darum, die Liebesmüh einzustellen? Weil sie „vergebens“ ist? Ist es vielleicht gar keine Liebesmüh? Sondern irgend etwas anderes? Geht es nur darum, nicht mehr gegen diese Wand zu rennen? Oder sich vorzustellen, es gäbe sie nicht?

Ganz ehrlich, G.. Ich glaube tatsächlich, es kann gar nicht darum gehen, die Liebesmüh einzustellen. Und es kann auch nicht darum gehen, sich eine Welt ohne Wände vorzustellen. Ich glaube, es geht darum, hin zu sehen. Und nur einmal zu sehen, dass da diese Wand ist. Und zu sehen, dass eine Wand eine Wand ist. Und Vorsicht, tricky … möglicherweise ist sie sogar aus Glas? Oder noch schlimmer: ein Spiegel!!! Und jedenfalls geht es darum, zu sehen und eben einzusehen, dass eine Wand keine Attrappe ist. Und dass es keinen Sinn macht, dagegen anzurennen. So, wie es vielleicht auch keinen Sinn macht, mit ihr zu reden. Eher schon, sich einmal hin zu setzen und sie anzuschauen. Ihr den Rücken zu zu kehren und sich daran anzulehnen. Oder mit einer schönen Farbe anzumalen. Man könnte ja vielleicht auch ein Fenster darauf malen? Mit Blick ins Grüne vielleicht? Oder so Klettergriffe dran machen … Oder … Aber ja, warum nicht? Weiß streichen und als Projektionsfläche für James Bond Filme nutzen? Ja, genau! Ich denke, es geht einfach darum, diese Wand nicht wie Luft zu behandeln. Sondern wie eine Wand. Versuchen, sie so zu sehen, wie sie ist. Und mal zu sehen, was man damit alles machen, wie sie einem nützen kann. Und wie man sie, diese Wand, mit seinen eigenen Wünschen und Zielen vereinbaren kann. Vielleicht wird man Freunde? Und wer weiß? Vielleicht würde man sich die Wand ganz schnell wieder zurück wünschen, wenn sie weg wäre. Und wenn man wüsste, was alles dahinter ist? Sieben andere Wände womöglich … Oder noch schlimmer: n-i-c-h-t-s! Ich meine, so eine Wand kann ja auch ein Schutz sein. Und mal ehrlich. Irgendwie ist sie doch auch langweilig, oder? Also so. Für sich genommen. Und stell Dir vor, G. … Weisst Du, was ich auf dieser Wand in der Falkenstraße neulich gesehen habe? So in Höhe des zweiten Stocks etwa? Wo doch kein Mensch hin schaut, wenn er nicht gezielt danach sucht? Da hat doch jemand lauter wunderschöne Worte um die Ecke eines Erkers gemalt. Wie BLUMEN. Fein säuberlich. In seiner allerfeinsten Sonntagsmalerschrift. Buchstabe für Buchstabe. Übrigens. Das Wörtchen „Freiheit“ war da nicht dabei.

Interessant, nicht?

K.

2 Kommentare

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Georg
17. Mai 2011 um 9:39

Liebe Kati,
es handelt sich um die Geschichte vom Torpedokäfer aus der bemerkenswerten Autobiografie „Der Weg nach unten“ von Franz Jung ;-). Es stimmt schon, der Käfer will durch die Wand, das macht ihn zum Torpedokäfer. Und die Wand wäre keine Wand ohne den Käfer, der immer wieder gegen sie anrennt. Ich habe etwas für den Eigensinn des Käfers übrig. Das ist seine Wand, da will er durch. Immer wieder. Das rührt mich. Wahrscheinlich auch deshalb, weil es viele dieser Käfer gibt. Es sind natürlich tragische Käfer, die nicht wissen, wie sie die Wand zum Freund, zum Spielzeug oder zur Langeweile umdeuten könnten. Es wäre ihnen zu wünschen, dass sie diese höhere Daseinsform der Kreativität erreichen, aber dann wären sie eben auch keine Torpedokäfer mehr.
Liebe Grüße,
Georg

Katalin
20. Mai 2011 um 9:52

Ist das Torpedokäferleben wirklich eine kreative Daseinsform? Ich weiss nicht… Es gibt übrigens eine Kneipe in Berlin, die nach dem Käfer benannt ist. 😉