Co-Kommunikation?

Der Ausdruck „Co-Kommunikation“ meint eine Form von „Miteinander“ in der Kommunikation. Sei es im Denken, im Gespräch, in der Begegnung oder im Tun derer, die daran beteiligt sind. Das Wort „Austausch“ beschreibt das ganz gut. Es ist ein Geben und Nehmen auf Augenhöhe, aus dem die Beteiligten bereichert hervor gehen, wenn Kommunikation gelingt.

Resonanz oder die Ökonomie des Austausches.

Gelingende Kommunikation ist für mich immer eine Form von „Austausch“. Und das ist durchaus wörtlich zu verstehen. Als ein Geben und Nehmen, das auf Gegenseitigkeit beruht. Wie bei einem guten Geschäft, aus dem beide Seiten bereichert hervor gehen: Sie schenken mir Ihre Aufmerksamkeit, ich schenke Ihnen meine Einsichten zum Wesen von Kommunikation. Wir tauschen etwas aus. Im Idealfall „teilen“ wir etwas Wertvolles miteinander. Wir sprechen von einer „Mit-teilung“ (lat. = communicatio).

Kommunikation ist partizipativ.

Man meint ja immer, es ginge in der Kommunikation darum, eine mehr oder weniger klar umrissene „Botschaft“ von A nach B zu bringen. Wie so ein Päckchen mit wertvollem Inhalt, das von einem Sender zu einem Empfänger geschubst wird. Dieses Bild ist aus meiner Sicht wenig hilfreich. Unsere Welt ist voll von solchen Päckchen. Aber wer soll sie abholen? Jedes Mal, wenn ich eine Litfasssäule sehe, denke ich an die vielen, herrenlosen Päckchen, die keiner braucht.

Ganz anders, wenn A gegenüber B etwas „mitteilt“. Hier geht es darum, etwas miteinander zu teilen. Das kann eine Information, eine Wahrnehmung, eine Erkenntnis, ein Erlebnis und noch Vieles mehr sein. Umgekehrt könnte man auch sagen: über den Prozess des Miteinanderteilens sind A und B miteinander verbunden. Das lateinische „communio“ hat diesen Bedeutungsraum und wird mit „Gemeinschaft“ viel zu flach übersetzt. Gemeint ist hier nicht nur eine Gruppe von Individuen, sondern ihr Verbundensein im Miteinanderteilen. Wir spüren das, wenn wir uns mit jemandem gut verstehen. Wenn uns jemand zuhört. Oder wenn wir bereit sind, jemandem etwas anzuvertrauen. Dann sind wir mit dieser Person verbunden. Wir teilen etwas Wertvolles miteinander.

Kommunikation ist co-kreativ.

Es gibt noch einen weiteren, wesentlichen Aspekt, der in dem Wort „Mitteilung“ angelegt ist. Nämlich eine Aussage über die Besitzverhältnisse. Das, was sich mitteilt, „gehört“ den Beteiligten eines Austausches. Schließlich teilen sie es miteinander. Hätte sich B für das, was A zu sagen hat, nicht interessiert, dann wäre A auf seinem Päckchen sitzen geblieben. Mehr noch. Mit großer Wahrscheinlichkeit hätte B ohne das aufmerksame Interesse von A seine Botschaft niemals so griffig formen, formulieren können. Erst die interessierte Nachfrage von B hat A womöglich dazu veranlasst, das Gemeinte endlich einmal auf den Punkt zu bringen? Insofern entwickeln A und B in einem co-kreativen Austausch gemeinsam das, was sie hinterher miteinander teilen. Gleichzeitig hängt das, was sie miteinander teilen, ganz empfindlich davon ab, wie sie zueinander stehen und welche Qualität der Raum hat, den sie einander geben können. Wie viel Offenheit, Aufmerksamkeit, Interesse, Wertschätzung, Respekt und Vertrauen sie einander entgegen bringen. All das geschieht im Miteinander. Der Raum, den sie miteinander teilen, ist ein Resonanzraum. In meiner Arbeit geht es um solche Resonanzräume.

Gelingende Kommunikation ist somit immer das Resultat eines wertschätzenden und wertformenden Zusammenwirkens von zwei oder mehreren „Teilnehmer*innen“ in einem wertoffenen Resonanzraum. Gemeinsam schaffen sie etwas Wertvolles, zu dessen „Teilhaber*innen“ sie damit werden.

Kunst ist Kommunikation.

Der Künstler Joseph Beuys nannte seine Arbeiten „Sender“. Das zeigt nicht nur, dass ihn die Verbindung von Kunst und Kommunikation interessierte. Es zeigt auch: Nicht sich als Künstler betrachtetet er als den Sender, sondern seinen künstlerischen Beitrag, seine Arbeit. Beispielsweise eine Installation oder ein Objekt. Und auch das wäre für ihn mit Sicherheit (noch) nicht „Kunst“ gewesen. Zu „Kunst“ wurde es erst innerhalb eines sozialen Raumes durch die Mitwirkung empfangsbereiter Empfänger*innen. Nur in diesem co-kreativen Miteinander konnte das entstehen, was Beuys eine „soziale Plastik“ im Sinne seines erweiterten Kunstbegriffes nannte.

Ich bin nicht sicher, ob Kommunikation Kunst ist. Die Frage wurde in den 80er Jahren im Kontext der Werbung diskutiert. Aber ich bin ganz sicher, dass Kunst Kommunikation ist. Nämlich als eine Form der „Mitteilung“ im oben beschriebenen Sinne. Als etwas Wertvolles, das sich zwischen einem künstlerischen Beitrag und seinen Rezipient*innen formt. Ob uns eine Arbeit etwas „sagt“ oder nicht, hat weniger mit der Arbeit selbst zu tun, sondern vielmehr mit unserer Bereitschaft, uns ihr zuzuwenden, uns darauf einzulassen, uns damit auseinander zu setzen oder etwas damit zu verbinden, das uns in ein ästhetisches Erleben führen kann. Und das wiederum hat viel mit dem Kontext zu tun, in dem wir ihr begegnen. Ein „Bild“, das in dem auratischen Kontext eines Museums hängt, ist ein anderes, wenn es die Wände eines Büros oder eines Wohnzimmers schmückt. Das liegt nicht an dem Bild oder an dem, was darauf abgebildet ist. Es liegt an der Qualität des Resonanzraumes, der darüber entscheidet, wie wir uns dem Bild nähern bzw. ob und was wir in ihm sehen können oder wollen. Als Künstlerin bin ich an der Entwicklung und Gestaltung dieses Raumes maßgeblich beteiligt. Aber ich „mache“ ihn nicht. Er „entsteht“ in einem co-kreativen Austausch mit anderen: in einem sozialen Diskurs.

Worauf es mir dabei ankommt? Es geht nicht um das „Bild“ – um mit dieser Metapher zu sprechen. Das „Bild“ ist bestenfalls ein mehr oder weniger probates Mittel zum Zweck. Es geht um Resonanz. Und diese ist immer das Ergebnis gelingender Kommunikation.

München im Januar 2021